23.10.2020 - 12:30

HEAT geht wieder auf die Straße

In Zeiten von Corona einen autonomes Shuttle in einer Großstadt testen? Das ist kein leichtes Unterfangen. Doch das Forschungs- und Entwicklungsprojekt HEAT in Hamburg geht in die nächste Runde.

Die Rahmenbedingungen könnten durch die Corona-Pandemie kaum herausfordernder sein. Mit dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt HEAT soll in Hamburg erstmals ein autonomer Kleinbus für den öffentlichen Personennahverkehr entwickelt werden und auf öffentlichen Straßen fahren. Der Testbetrieb wird in der Hamburger HafenCity realisiert. Am 23.10. wurde nun der öffentliche Probebetrieb mit Fahrgästen an Bord des 5 Meter langen autonom fahrenden Kleinbusses gestartet. Das Projekt ist Teil der ITS-Strategie (Intelligent Transport Systems) der Freien und Hansestadt und soll im Rahmen des im nächsten Jahr in Hamburg stattfindenden ITS-Weltkongresses präsentiert werden.

Dr. Anjes Tjarks, Hamburgs Mobilitätswendesenator: „Autonomes Fahren mitten in einem urbanen Umfeld mit Radfahrenden und Fußgänger*innen umzusetzen, ist anspruchsvoll und in dieser Form weltweit einmalig. Das ist eine große Leistung, aber auch ein wichtiger Beitrag, um die Mobilität der Zukunft zu gestalten. Besonders toll finde ich dabei, dass autonomes Fahren durch den Start des Fahrgastbetriebs jetzt auch für die Menschen in Hamburg erlebbar wird. Bis zum ITS-Weltkongress wollen wir beim Autonomen fahren weltweit ganz vorne dabei sein.“

Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h soll der autonom fahrende Kleinbus in der HafenCity unterwegs sein. Auf dem rund ein Kilometer langen Abschnitt der Teststrecke operiert das Shuttle neben seiner eigenen Umfeldwahrnehmung auf Basis von zwei weiteren Informationsquellen: Zum einen greift es auf die von Siemens Mobility entwickelte und durch Hamburg Verkehrsanlagen (HHVA) integriert bereitgestellte neuartige Strecken-infrastruktur zu. Der Einsatz zusätzlicher Masten mit Sensoren entlang der Fahrstrecke ist in dieser Form neu, erweitert das Sichtfeld des Shuttles und ermöglicht so die höhere Geschwindigkeit und vorausschauendes Fahren. Zum anderen nutzt das Fahrzeug die von der Freien und Hansestadt Hamburg zur Verfügung gestellten und auf wenige Zentimeter genaue HD-Karte über die aktuelle Strecke. Im Fahrbetrieb werden alle Informationen aus diesen Quellen übereinandergelegt, um die Position des Fahrzeugs sowie Abweichungen von der optimalen Position genau zu bestimmen.

Die für den Betrieb mit Fahrgästen erforderliche Zulassung hat das Forschungsprojekt inzwischen erhalten. Damit darf der autonome Kleinbus im öffentlichen, innerstädtischen Straßenraum mit Fahrgästen und einer Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h verkehren. Ab sofort und bis zunächst Ende November 2020 können Hamburgerinnen und Hamburger HEAT selbst erleben. Per App können sie sich für Mitfahrten im autonomen Shuttle registrieren. Für die Mitfahrt ist coronakonform eine Mund-Nase-Bedeckung vorgesehen. Durch die Infektionsschutzmaßnahmen im Zuge der Pandemie können neben dem Fahrzeugbegleiter und einem technischen Support zeitgleich bis zu drei Passagiere im Shuttle mitfahren. Trotz dieser Herausforderungen hat sich das Projektkonsortium mit Erhalt der Zulassung für die Aufnahme eines Fahrgastbetriebes entschieden.

Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende, eröffnete den öffentlichen Fahrgastbetrieb. Copyright: HOCHBAHN

In der aktuellen Projektphase erhält das Fahrzeug den Fahrauftrag inklusive der zu bedienenden Haltestellen bereits von der Hochbahn-Leitstelle. Diese überwacht den Betrieb und kann in Abhängigkeit von der jeweiligen Verkehrssituation dem Fahrzeug entsprechende Fahrbefehle geben. Immer mit an Bord sind zudem einer der vier speziell ausgebildeten Fahrzeugbegleiter der Hochbahn sowie ein technischer Support. Für den Fahrgastbetrieb ist der autonom fahrende Shuttlebus außerdem mit einem Informationssystem für Passagiere ausgestattet. Auf zwei Monitoren werden die nächsten Haltestellen mit Ankunftszeiten angezeigt.

Eine Besonderheit des Projektes HEAT im Vergleich zu anderen autonom fahrenden Fahrzeugen ist die straßenseitige Infrastruktur. Diese liefert zusätzliche Daten über das Geschehen auf der Straße und meldet sie dem Shuttle – unter anderem Informationen zu Fahrzeugen, Radfahrern oder Passanten, die sich außerhalb des Sichtfeldes seiner Sensoren befinden. Dies ist beispielsweise dann besonders relevant, wenn Objekte sich in einer nicht einsehbaren Kreuzung befinden oder von einem größeren Fahrzeug verdeckt werden. Außerdem ermöglicht diese Kommunikation das Passieren von Ampelanlagen ohne eine Aktion des Fahrzeugbegleiters.

Mit dem Auftakt des Fahrgastbetriebes geht auch die Begleitforschung des DLR in die nächste und entscheidende Phase. Erstmals können Fahrgäste direkt im Umfeld des Fahrerlebnisses befragt werden. Neben der Nutzungserfahrung der Fahrgäste untersucht das DLR auch, wie sich durch den Einsatz selbstfahrender Fahrzeuge im ÖPNV Tätigkeiten auf Seiten des Betreibers verändern, zum Beispiel durch neue Anforderungen an die Arbeit in der Leitstelle.

Eine der größten Herausforderungen im Forschungsprojekt bleiben die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Fahren ohne Fahrzeugbegleiter gemäß SAE Level 4. Autonomes Fahren wird vom geltenden Rechtsrahmen derzeit noch nicht erfasst. Entsprechend umfassend gestalten sich die Prozesse rund um die Genehmigungsverfahren, die maßgeblich von den regulatorischen Vorgaben abhängen.

Der Probebetrieb mit Fahrgästen startet in der HafenCity läuft zunächst vom 23. Oktober bis zum 30. November 2020. Interessierte Hamburgerinnen und Hamburger können sich über die aktuellen Betriebszeiten online informieren. Auf der Webseite steht auch die HEAT App zum Download zur Verfügung, mit der die kostenfreie Registrierung für eine Mitfahrt erfolgt. Nach Abschluss des Probefahrgastbetriebes geht das Fahrzeug zur Auswertung und Weiterentwicklung wieder nach Gifhorn, bevor es für die nächste Phase des Forschungsprojektes mit Fahrgastbetrieb im Frühjahr 2021 nach Hamburg zurückkehren soll.

Autor: jst

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23.10.2020 12:57