12.12.2018 - 13:11

Wenn sich der Zulieferer mehr traut

Bosch, Conti und ZF wagen sich mit eigenen Ambitionen im Bereich neue Mobilität weit nach vorn. Doch wer schafft es bis in die erste Liga der Mobilitätsprovider? Eine aktuelle Einschätzung.

Es ist kein Geheimnis, dass in den verschiedenen Tesla-Modellen jede Menge gute Technik deutscher Automobilzulieferer steckt. Es ist in zwischen auch kein Geheimnis mehr, dass die Zulieferer sich technologisch breiter aufstellen. Conti kaufte u.a. dafür die Softwarefirma Elektrobit. Bosch beauftragte die Berater von BCG mit der Entwicklung des eigenen Sharingdienstes „Coup“. Und ZF liefert für Daimlers ersten echten Elektro-SUV (EQC) den Motor. Dabei galt gerade der Bau von Motoren auch als ein Kernstück der Autohersteller.

Allein diese drei Beispiele untermauern die These des Handelsblatt-Redakteurs Martin-W. Buchenau. In seinem aktuellen Beitrag Die deutschen Autozulieferer wagen den Tabubruch geht er davon aus, dass die Zulieferer Bosch, ZF und Conti bei zukünftigen Mobilitätsthemen auf dem Weg sind, „zu Rivalen ihrer bisherigen Großkunden zu werden“.

Es dürfte auf Dauer für die Hersteller nicht wirklich charmant sein, wenn sie immer häufiger erkennen müssen, wie ihre Zulieferer am gleichen Kuchen, dem für neue Mobilitätskonzepte, mitknabbern. Gleichzeitig sind die Unternehmen aus der „zweiten Reihe“ oft genug die, die die Veränderungen bei den OEMs zuerst verkraften müssen. Es wird hohe Flexibilität erwartet. Diese Flexibilität und gleichzeitig der Antrieb ständig Innovationen für die Hersteller parat zu haben, sind vielleicht genau jetzt die Vorteile, die es auszuspielen gilt.

Denn die Lage ist angespannt.

Die Autohersteller haben es auf das neue Öl abgesehen, die Daten. Mit Techkonzernen, wie Google und Apple, haben die OEMs noch zusätzlich „unerwartete“ Gegenspieler in diesem Markt. Die Amerikaner haben nicht nur jede Menge Geld auf der hohen Kante für flexible Ansätze, sondern sind in Sachen Datensammeln und Verwerten deutlich besser aufgestellt. Bei Google mündete das bereits in sichtbaren Ergebnissen. Mit Waymo One startete bereits ein autonom fahrender Ridehailing-Service in Phoenix (Arizona, USA). Auch wenn dort noch für die Sicherheit ein Fahrer an Bord ist, um eingreifen zu können, ein ähnlich sichtbares bis zur Markteinführung gebrachtes Projekt gibt es bei den Herstellern noch nicht.

Die deutschen Zulieferer sind selbst auch auf der Suche nach dem neuen „Datenöl“. Gleichzeitig sitzen sie gewissermaßen an der Quelle bzw. am Eingang zum Stollen, in dem die Daten geschürft werden. Es sind zum großen Teil ihre Systeme, die die Daten erfassen, sammeln und verarbeiten in den Fahrzeugen: Chips, Kameras und Assistenzsysteme. Man hört und liest immer wieder, dass es genau an diesem Punkt zu Diskussionen kommt. Die OEMs wollen die Datenhoheit, die Zulieferer versuchen – nachvollziehbar – ebenfalls sich einen Anteil an der Datenhoheit zu sichern. Hier macht es oft den Eindruck, die alten Abhängigkeiten würden aufrecht gehalten. Dabei zeigt sich in der Industrie, wie notwendig neue kooperative Modelle der Zusammenarbeit geworden sind.

Mehr und neue Kooperationen

Ein Beispiel dafür scheint die Kooperation zwischen Daimler und Bosch zu sein, die in San José einen automatisierten Ride-Hailing-Service zur Folge haben soll. Geplant ist für 2019 die Erprobung des kürzlich von Daimler und Bosch angekündigten, App-basierten, vollautomatisierten und fahrerlosen (SAE Level 4/5) Mitfahrservices in der drittgrößten Stadt Kaliforniens.

Zuletzt stellte Daimler in Kopenhagen die Studie „Vision Urbanetic“ vor. Eine autonome und elektrisch angetriebene Plattform, auf der sowohl eine Kabine für den Personen- als auch ein Cargocontainer für den Logistikverkehr platziert werden kann. Bosch zeigt auf der CES 2019 in Las Vegas nun ein eigenes Shuttle-Konzeptfahrzeug. Bleibt also die Frage, wie im kommenden Jahr die ersten Fahrzeuge des Projekts in San José aussehen werden. Sind es noch klassische Fahrzeuge aus dem Daimler-Konzern oder werden doch schon erste Shuttle-Fahrzeuge neuester Denk- und Bauart zu sehen sein?

Aber auch Conti und ZF sind bereits in neuen Kooperationen unterwegs, wenn es um die Entwicklung oder gar schon Produktion von Shuttle-Fahrzeugen geht. Während Continental die Partnerschaft mit dem Startup EasyMile gesucht hat, um das Thema zu treiben, ging ZF eine Partnerschaft mit dem Aachener Jungunternehmen e.GO ein und will bereits ab 2019 mit der Serienproduktion eines autonomen People-Mover starten. Sie lesen richtig: In beiden Fällen finden Sie keinen Namen der Automobilhersteller.

Allerdings wird die Messe auch nicht ohne die OEMs gesungen. Schauen wir auf die Firmen Hubject und Here. Hubject wurde von BMW, Bosch, Daimler, EnBW, innogy und Siemens gegründet, 2016 stieg der Volkswagen Konzern ebenfalls ein. Das Unternehmen entwickelt und betreibt mit intercharge die eRoaming-Plattform für kundenfreundliches Laden von Elektrofahrzeugen. Der Daten- und Kartenservice-Provider Here wurde ursprünglich durch die OEMs Audi, BMW und Daimler vom Telekomkonzern Nokia übernommen. Inzwischen sind aber auch Bosch, Continental, Intel, Pioneer und chinesische Unternehmen, wie NavInfo und Tencent, als Gesellschafter an Bord. Here-Daten sind somit auf dem besten Wege, zu Standards in der Mobilitätsindustrie zu werden.

Darüber hinaus bahnt sich bereits die nächste spannende Kooperation an: BMW und Daimler legen ihre Carsharing-Unternehmen zusammen und geben der neuen Firma zusätzlich Teile ihrer bereits entwickelten digitalen Dienste mit.

Letztendlich zeigen die oben genannten Beispiele bereits die verschiedensten Abhängigkeiten auf. Gleichwohl wird es weiterhin einen harten Wettbewerb um jeweilige Vormachtstellungen geben. Ausgehend vom Anfang des Textes zeigt sich, wie schwierig die Emanzipation eines Zulieferes zum möglichen Hersteller ist. Gleichzeitig ergeben sich auch Optionen in ganz neuen Märkten, wie eben das Sharing oder die Rolle als Mobilitätsprovider. Aktuell macht es den Eindruck, dass an der Stelle Bosch das beste Blatt auf der Hand und einen besseren Platz am Tisch hat, wenn die Karten in der Mobilität neu verteilt werden.

Editor: Jens Stoewhase
Fotos: Bosch, Continental, ZF

Autor: jst

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