04.04.2016 - 14:25

Roland-Berger-Studie: 2030 sind autonome Taxis das Geschäftsmodell schlechthin

Nicht nur die Berater von Roland Berger sind sich sicher: Die Automobilbranche steht vor einer Zeitenwende. Sind es heute noch über 70 Prozent der weltweit gefahrenen Kilometer, die Privatfahrzeuge zurücklegen, so werden in den kommenden zehn Jahren Carsharing- und Mitfahrmodelle einen immer größeren Anteil am gesamten Mobilitätsangebot übernehmen. Folgt man dem Ergebnis einer aktuellen Roland-Berger-Studie, so werden in Zukunft autonom fahrende Taxis, so genannte Robocabs, bis 2030 voraussichtlich auf knapp 30 Prozent zunehmen. Bis dahin werden nur noch 45 Prozent der gefahrenen Kilometer im Privat-Pkw zurückgelegt werden. Bei den Geschäftszahlen sieht es dann noch drastischer aus: Bis 2030 werden völlig autonom fahrende Taxis bis zu 40 Prozent des Gesamtgewinns der Automobilindustrie einfahren, so die Wirtschaftsberater.

Diese radikale Entwicklung wird deutliche Folgen für die gesamte Automobilindustrie haben, so die Autoren der neuen Szenario-Studie „A CEO agenda for the (r)evolution of the automotive ecosystem“. Die Berater wollen fünf Punkte identifieziert haben, die für traditionelle Hersteller besonders wichtig sein sollen, um für zukünftige Veränderungen im Ökosystem der Autobranche gewappnet zu sein.

Autonomes Fahren verändert die Branche
Eine besonders wichtige Rolle in diesem neuen Ökosystem spielt das autonome Fahren. Roland-Berger-Partner Wolfgang Bernhart verweist dabei auf die amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde, die vor kurzem den Computer als möglichen Fahrer zugelassen hat. Damit sei ein weiterer Meilenstein in Richtung selbstfahrender Autos genommen worden, so Bernhart. Er schlussfolgert daraus: „Robocabs werden sich deshalb in den Großstädten sukzessive als kostengünstige und bequeme Alternative zum eigenen Auto etablieren.“

Durch den Trend zur Shared Economy solls sich bereits jetzt die Haltung der Autofahrer gründlich ändern. So entstünden auch im Mobilitätsbereich neue Geschäftsmodelle, die mit den traditionellen Automobilherstellern um den Markt konkurrieren. Hier sieht Bernhart die margenträchtigsten Geschäftsmodelle, im Bereich der Mobilitätsdienstleistungen. Auch wenn in Zukunft noch Autos produziert und verkauft werden, sei die entscheidende Frage ist, wer die Gewinne für sich beanspruchen können wird.

Autohersteller riskieren Verdrängung vom Markt
In ihrer Analyse kommen die Berater zu dem Ergebnis, dass selbstfahrende Autos bis 2030 rund 40 Prozent des Gesamtgewinns der Automobilbranche ausmachen werden. Die traditionellen Hersteller wären in diesem Szenario die Verlierer. 2015 konnten sie noch knapp 40 Prozent des Gewinns auf sich konzentrieren. In der Studie kommt man zu dem Schluss, dass dies 2030 ur noch knapp über 20 Prozent sein werden.

Auch für die Zulieferer sieht es demnach nicht rosig aus. Ihr Anteil am Gewinn soll sich voraussichtlich halbieren: von rund 30 Prozent im Jahr 2015 auf weniger als 15 Prozent 2030.

Gleichzeitig ergeben sich neue Geschäftschancen für die Automobilhersteller. Zum einen können sie sich selbst zu einem wettbewerbsfähigen Anbieter von Mobilitätslösungen weiterentwickeln. Zum anderen könnten manche der heutigen Autobauer sich zukünftig als Zulieferer für Mobilitätsanbieter etablieren. Das käme allerdings einer Degradierung gleich, wenn die OEMs ihre hocheffiziente Fertigung vollautonomer Fahrzeuge nach den Spezifikationen eines Mobilitätsanbieters anbieten würden.

Gefahr droht dabei von neuen Firmen – Startups. Sie könnten traditionelle Automobilhersteller als etablierte Spieler nach und nach in die zweite Reihe drängen. Dabei würden neue Firmen mit innovativen Geschäftsmodellen vor allem den direkten Kontakt zu den Endkunden suchen. „Für individuelle Beziehungen zwischen Nutzern von Mobilitätsdiensten und Herstellern von Fahrzeugen gibt es in einer Welt autonom fahrender Robotaxis immer weniger Spielraum und Bedarf“, erklärt Roland-Berger-Partner Jan-Philipp Hasenberg. „OEMs drohen so den Anschluss zu ihrer direkten Zielgruppe zu verlieren.“

Bestehende Geschäftsmodelle sind nicht mehr wettbewerbsfähig
Viele Hersteller haben bereits reagiert und Geschäftsmodelle entwickelt – von Elektroantrieben über Carsharing-Angebote bis hin zu weiteren Mobilitätsservices. Allerdings seien diese oft nur ungenügend im Kerngeschäft verankert. Wenn es nach Hasenberg geht, dann sollten die OEMs nicht mehr nur linear Schritt für Schritt in alten Bahnen denken, sondern sich ganz grundsätzlich überlegen, welche Rolle sie in der zukünftigen Mobilitätswelt spielen wollen. Der Consultant bringt seine Sicht auf den Punkt: „Nicht jeder Autohersteller wird zum globalen Mobilitätsanbieter werden können, daher sollte man bereits heute Alternativen entwickeln und die Weichen richtig stellen. Je länger die OEMs warten, desto weniger Spielraum werden sie auf dem Markt haben: Die Gewinnmargen werden enger und der Wettbewerb größer.“

In der Analyse wurden fünf wichtige Maßnahmen identifiziert, die nicht ganz neu sind. Sie sollen einen Wandel für die traditionelle Autoindustrie möglich machen:

Kooperative Geschäftsmodelle: Die Unternehmen sollten ihre organisatorischen Strukturen aufbrechen. Kooperative Geschäftsmodelle entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind dabei entscheidend; das vorherrschende „Silodenken“ gehört der Vergangenheit an.

Umfassende Mobilitätsangebote: Umweltverschmutzung und dicht besiedelte Metropolen machen effiziente, bequeme und umfassende Mobilitätsangebote attraktiv. Das Fahren tritt dabei immer stärker in den Hintergrund.

Neue Servicekultur: Autohersteller sollten stärker die Kundensicht berücksichtigen und sich nicht ausschließlich auf die Produktoptimierung fokussieren. So seien für umfassende Mobilitätsangebote neue Apps, eine breite Datenerfassung und intelligente Algorithmen für die sinnvolle Nutzung von Big Data unverzichtbar.

Hocheffiziente, flexible Produktionsprozesse: Alle Produktionsabläufe sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Statt Produktinnovation steht Prozessinnovation im Mittelpunkt.

Digitales Arbeitsumfeld: Eine Veränderung des Geschäftsmodells in Richtung Mobilitätsdienstleistungen bedeutet auch, die Arbeitsbedingungen anzupassen: Weg von starren, hierarchisch geprägten Strukturen hin zu einer Kultur, die auch für Digital Natives attraktiv ist.

Fazit: Die Berater von Roland Berger bringen auf den Punkt, was zumindest in den vergangenen beiden Jahren auf den Podien der Automobilkongresse und Themenabende postuliert wurde. Die „alte Industrie“ muss sich drastisch wandeln, wenn sie sowohl Kunden als auch potentielle Arbeitsgeber weiterhin von sich überzeugen will. Mehr denn je steht der Kunde, sein Datensatz und sein Bedarf im Vordergrund und anstatt nur das zu verkaufende Produkt. Die Zahl in Bezug auf den anfallenden Gewinn für „Robotaxis“ im Jahr 2030 illustriert die Geschwindigkeit des Wandels doch recht drastisch. Da ist es nicht verwunderlich, wenn der VDA fast zeitgleich seine Kooperationen mit Startups deutlich intensivieren will.

Download der Studie als PDF >>

Autor: Jens Stoewhase mit Pressematerial von Roland Berger

Autor: jst

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04.04.2016 14:08