28.10.2015 - 19:09

Vernetzung, Automatisierung und Elektromobilität

Tesla bringt den „Autopliot“ per Over-The-Air-Update und die Welt ist ein wenig anders als zuvor. Für Dr. Gereon Meyer zeigt der mutige Nischenhersteller auf, wo die Synergiepotenziale von automatisiertem Fahren und Elektromobilität liegen. Im neuen Gastbeitrag richtet sich sein Blick auch auf die Perspektive von Apple.

Als Tesla Motors vor zwei Wochen die Elektro-Limousine Model S mit automatisierten Fahrfunktionen ausstattete, ging ein Raunen durch die Automobilbranche. Das „Autopilot“ genannte System kombiniert die Daten von Abstandsradar, Kamera und Ultraschallsensoren und erlaubt so Abstandsregelung und Spurhalten sowie automatisches Überholen, sofern der Fahrer dabei das Steuer zumindest noch berührt. Auch wenn dies noch nicht unter die heiß diskutierte Kategorie hochautomatisiertes Fahren fällt, bei der sich der Fahrer zumindest zeitweise von den Fahraufgaben abwenden und anderen Dingen widmen darf, ist es das am weitesten entwickelte Fahrerassistenzsystem im Serieneinsatz. Ein kurz danach auf YouTube erschienener Film, in dem ein Tesla Model S mit Autopilot in einer Kurve auf die Gegenfahrbahn gelangt, belegt, wie stark Tesla die Grenzen strapaziert.

Was für Aufsehen sorgt, ist aber weniger der Sachverhalt, dass ein Nischenhersteller den Mut hat, eine Technologie zu verbreiten, mit der die Allgemeinheit den Umgang erst noch lernen muss. Es ist vielmehr die Tatsache, dass der Autopilot mit einem Software-Update über Funk auf die Fahrzeuge aufgespielt wurde, die z.T. schon seit einem Jahr auf der Straße fahren, und so wie ein neues Feature auf dem iPhone vom letzten Jahr mit der neuesten Version des iOS verfügbar wird. Tesla Motors behauptet, dass dies auch mit der zentral gesteuerten Logik der elektrischen und elektronischen Architektur zu tun habe, die für das Fahrzeug von Grund auf neu entwickelt wurde. Das lässt aufhorchen, wurden Fahrerassistenzsysteme wie ABS und ESP in der Vergangenheit doch immer als zusätzliche Hardwarekomponenten in bestehende Fahrzeugarchitekturen eingefügt, deren Komplexität damit stetig zunahm. Fahrzeugfunktionen per Software-Update zu verändern, war daher bislang völlig ausgeschlossen.

Die Ingenieure von Tesla haben die Automatisierungsoption sicherlich im Systemdesign des Model S von vornherein mitgedacht und die nötigen Sensoren und Kameras eingebaut. Künftig werden alle Elektrofahrzeuge von Grund auf neu entworfen werden, um Kosten zu sparen und die Energieeffizienz zu steigern. Die für die Automatisierung nötigen elektronischen Architekturen und funktionalen Sicherheitsfunktionen ergeben sich dann sozusagen en-passant. Mit weiteren Innovationen, wie rein elektronischer Bremse oder Radnabenmotoren, werden automatische Fahrfunktionen perspektivisch dann noch einfacher umsetzbar. Insofern weist der Autopilot des Tesla Model S auf bemerkenswerte Synergiepotenziale von automatisiertem Fahren und Elektromobilität hin. Solche Synergien sind auch in anderer Form denkbar, beispielweise beim vollautomatisierten Parken in Kombination mit induktivem Laden – damit ließe sich ein automatisches Valet-Parksystem für Elektrofahrzeuge realisieren. Grundsätzlich sollte automatisiertes Fahren auch zu einer Effizienzerhöhung beim Verkehrsfluss und Energieverbrauch führen und damit die Reichweite von Elektrofahrzeugen erhöhen können. Dazu bieten Elektrofahrzeuge aufgrund fehlender Getriebetunnel und weniger starr festgelegter Einbauorte ihrer Komponenten ganz neue Möglichkeiten der Innenraumgestaltung, die insbesondere in hochautomatisierten Fahrzeugen genutzt werden können – etwa für eine Sitzgruppe mit Tisch. Man könnte sogar so weit gehen, zu sagen, dass automatisierte Fahrzeuge mit weniger passiven Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet sein müssen, damit leichter und schließlich auch effizienter werden, was Elektrofahrzeuge aufgrund kleinerer Akkus wiederum kostengünstiger macht. Wie beim hochautomatisierten Fahren an sich nehmen diese Synergieeffekte mit der Elektromobilität bei einer Vernetzung von Fahrzeugen untereinander oder mit einer Dateninfrastruktur im Backbone noch zu.

Nicht nur Tesla Motors, sondern auch die Giganten der IT-Branche, die sich vom vernetzten und automatisierten Fahren den Zugang zu den profitablen Wertschöpfungsstrukturen der Automobilindustrie versprechen, haben die potenziellen Synergien zwischen den derzeit bedeutendsten Trends in der Automobiltechnik entdeckt. Mit ihrem nutzerorientierten Ansatz für das Produktdesign haben sie längst erkannt, dass ein selbstfahrendes Fahrzeug mit Elektromotor viel attraktiver wäre als ein solches mit Verbrennungsmotor, und dass es sich mittelfristig wahrscheinlich auch profitabler herstellen ließe. Es sollte also nicht verwundern, wenn Tim Cook zum iCar in Anlehnung an die berühmten Worte von Steve Jobs bei der Vorstellung des iPhones sagen würde: „Today we are introducing three revolutionary products. The first one is an electric vehicle. The second is an automated car. And the third is a connected automobile. So, three things: electric vehicle, automated auto, connected car … are you getting it?”

dr-gereon-meyerÜber den Autor: 
Dr. Gereon Meyer ist Leiter Strategische Vorhaben im Bereich Zukunftstechnologien und Europa bei der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH. Er gibt bei Springer die Buchreihe “Lecture Notes in Mobility”heraus, in der auch die Proceedings des Automated Vehicles Symposiums erscheinen: springer.com >>

Autor: jst

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