10.02.2021 - 17:06

Gesetz zum autonomen Fahren passiert das Bundeskabinett

Am Mittwoch, 10.2.2020, nahm das „Gesetz zum autonomen Fahren“ ein wichtige Hürde. Der Gesetzentwurf wurde in der 130. Sitzung des Bundeskabinetts gebilligt. Damit wird eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Bis zum Ende der Legislaturperiode wollten CDU und SPD die rechtlichen Voraussetzungen für vollautonome Fahrzeuge auf geeigneten Infrastrukturen schaffen.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer lässt sich euphorisch zitieren: „Deutschland wird als erstes Land weltweit autonome Fahrzeuge aus den Forschungslaboren auf die Straße holen – heute sind wir diesem Ziel einen entscheidenden Schritt näher gekommen. Es freut mich sehr, dass das Kabinett den Weg frei gemacht hat für unser Gesetz zum autonomen Fahren. Jetzt geht der Entwurf an Bundestag und Bundesrat zur weiteren Beratung. Wir brauchen die zügige Umsetzung für die Innovationen im Transformationsprozess. Ich bin mir sicher, wir werden auch hier zu wegweisenden Einigungen kommen, damit Deutschland auch weiterhin international die Nummer 1 beim autonomen Fahren bleibt.“

Somit soll Deutschland eine Führungsrolle beim autonomen Fahren übernehmen. Am 21. Juni 2017 trat zuerst das Gesetz zum automatisierten Fahren als eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes in Kraft. Damals ging es um veränderte Rechte und Pflichten der fahrzeugführenden Person während der automatisierten Fahrphase. Automatisierte Systeme (Stufe 3) durften damit die Fahraufgabe unter bestimmten Voraussetzungen übernehmen. Eine Person hinterm Steuer ist dabei aber weiterhin notwendig.

Im nun folgenden Schritt wurde das neue „Gesetz zum autonomen Fahren“ formuliert. Es soll den Rechtsrahmen schaffen, damit autonome Fahrzeuge (Stufe 4) in festgelegten
Betriebsbereichen im öffentlichen Straßenverkehr bundesweit im Regelbetrieb fahren können.

Sofern das Gesetz nach dem Bundeskabinett auch seine Zustimmung in Bundesrat und Bundestag bekommen sollte, könnte Deutschland der erste Staat sein, der Fahrzeuge ohne Fahrerin oder Fahrer in den öffentlichen Straßenverkehr lässt, ohne dass entsprechende Autos eine Sonderzulassung nur für Forschungszwecke haben müssten. Bisher heißt es aus dem BMVI, dass man noch immer das Ziel verfolge, bis zum Jahr 2022 Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen in den Regelbetrieb zu bringen.

Gleichzeitig ist das „Gesetz zum autonomen Fahren“ eine Übergangslösung, bis auf internationaler Ebene harmonisierte Vorschriften vorliegen. Denn auch in der EU arbeitet man an entsprechenden Regelungen. Aus der deutschen Autmobilbranche war vor dem Treffen des Bundekabinetts bereits die leise Hoffnung zu vernehmen, dass ein deutsches Gesetz noch zur rechten Zeit kommen könnte. Denn wenn die EU ein erstes Gesetz, dass in einem Land bereits verabschiedet wurde, als Grundlage heranziehen könnte, dann bestünde die Chance auf einen beschleunigten Findungsprozess. Gleichzeitig wäre es vermutlich nicht von Nachteil für die Deutschen, wenn man den „Geist“ des deutschen Gesetzes auch auf EU-Ebene adaptieren würde. Mit Blick auf harmonisierte Märkte und Standards hat Deutschland natürlich ein großes Interesse an der Schaffung übergeordneter Regeln – die exportorientierte deutsche Automobilindustrie braucht Verbindlichkeit und wenig Varianz in den Regelungen. Das BMVI lässt bereits vermelden, dass man sich entschlossen dafür einsetzen wolle, die Rechtsrahmen auf EU- und UNECE-Ebene fortzuentwickeln.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) begrüßte bereits den Kabinettsbeschluss. Die Präsidentin des Verbandes Hildegard Müller mahnte trotzdem zur Eile: „Dass die Bundesregierung jetzt den Weg für den Einstieg in das autonome Fahren frei macht, ist gut für den Standort Deutschland. Die Beratungen im Bundesrat und Bundestag müssen nun zügig vorangehen und das Gesetz muss alsbald beschlossen werden. Nur dann kann Deutschland eine internationale Führungsrolle erreichen. Ich baue auf Bundestag und Bundesrat, damit die Innovationskraft der Automobilindustrie auch in diesem wichtigen Zukunftsthema rasch auf die Straße kommen kann.“

Die notwendigen Rechtsverordnungen, die das Gesetz flankieren sollen, könnten nun durch das BMVI schnell erlassen werden. Der VDA begrüßte zudem, dass im Gesetz eine fundierte Evaluierung der Vorschriften vor Ablauf des Jahres 2023 verankert wurde.

Zuletzt gab es Medienberichte, die darauf verwiesen, dass im aktuellen Gesetzentwurf das Thema KI sowie selbstlernende Softwaresysteme nicht berücksichtigt wurden. Das Bundesverkehrsministerium wolle den Herstellern zwar ausdrücklich maschinelles Lernen erlauben, veränderte Funktionen sollen aber nur über ein Software-Update implementiert werden können, das zuvor vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gebilligt wurde. Aus der Industrie ist dazu zu hören, dass aktuell solche Fahrzeuge noch gar nicht regulär im Markt wären und das Thema Künstliche Intelligenz auf noch höheren Gesetzesebenen geklärt müsse, dann würde es auch Klarheit für die Automobilindustrie geben. Darüber hinaus ist schon jetzt eine Novellierung des „Gesetzes zum autonomen Fahren“ für 2023 in Aussicht gestellt.

Der aktuelle Gesetzentwurf geht jetzt an Bundestag und Bundesrat. Das EU-Notifizierungsverfahren soll bereits eingeleitet sein. Das Gesetz soll bis Mitte 2021 beschlossen werden und damit noch mit Ende der Legislatur in Kraft treten können.

Nach den Worten von Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer, begrüßt auch der TÜV-Verband den Kabinettsbeschluss: „Es ist jetzt an der Zeit, innovative Transportsysteme wie autonome Shuttles oder so genannte People Mover zur Beförderung von Personen oder Gütern auf der ersten oder letzten Meile aus Testumgebungen in den Regelbetrieb zu überführen.“ Mit Inkrafttreten des Gesetzes und der notwendigen Verordnungen wäre der Weg frei für bereits im Test befindliche Shuttle-Verkehre, aber auch People-Mover, Hub2Hub-Verkehre, nachfrageorientierte Angebote in Randzeiten, die Beförderung von Personen und auch Gütern auf der ersten oder letzten Meile sowie das Automated Valet Parking (AVP). Gleichzeitig verweist der TÜV-Mann auch noch auf ein Thema, dass die Prüfverbände schon im Vorfeld häufiger auf die Agenda gehoben hatten: „Jetzt kommt es darauf an, im parlamentarischen Verfahren die noch offenen Fragen zu klären, zum Beispiel über die Verwendung von Mobilitätsdaten oder zur Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der eingesetzten Systeme.“ Insbesondere bei den Mobilitätsdaten hatten die Prüfer schon häufiger Bedarf angemeldet, gemeinsam mit dem Versicherern.

Im Gesetz werden nämlich konkret nur folgende Punkte geregelt:

  • Technische Anforderungen an den Bau, die Beschaffenheit und die Ausrüstung von Kraftfahrzeugen mit autonomen Fahrfunktionen,
  • Prüfung und Verfahren für die Erteilung einer Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen durch das Kraftfahrt-Bundesamt,
  • Regelungen in Bezug auf die Pflichten der am Betrieb der Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion beteiligten Personen,
  • Regelungen in Bezug auf die Datenverarbeitung beim Betrieb der Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion,
  • Ermöglichung der (nachträglichen) Aktivierung automatisierter und autonomer Fahrfunktionen bereits typgenehmigter Kraftfahrzeuge („schlafende Funktionen“),
  • Anpassung und Schaffung von einheitlichen Vorschriften zur Ermöglichung der Erprobung von automatisierten und autonomen Kraftfahrzeugen.

Foto: Achim Scholty auf Pixabay

Autor: jst

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