BMW, Daimler, VW – der Software-Dreier?

Nach Medieninformationen spricht der Daimler sowohl mit BMW als auch mit Volkswagen über ein mögliches gemeinsames Betriebssystem für das Auto. Hintergrund sollen die Schwierigkeiten der Autobauer sein, genügend Personal für die Softwareentwicklung zu finden, wodurch Projekte ins Stocken geraten. Das Szenario dahinter klingt jedoch spannend und nicht ganz neu.
Es ist ein Leichtes, darüber zu lachen, dass die womöglich geheimen Gespräche von Daimler mit BMW und Daimler mit Volkswagen aufgeflogen sind. Aktuell berichtet die Süddeutsche Zeitung über solche Kooperationsgespräche. Gleichzeitig offenbaren sie vielleicht auch, wie strategisch sich die deutsche Automobilindustrie inzwischen versucht aufzustellen. Warum auch nicht? Natürlich können kartellrechtliche und grundsätzlich wettbewerbsrechtliche Themen da eine wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig zeigen bereits langjährige Projekte jedoch auch, dass man in der Konstellation der drei Autokonzerne zusammenarbeiten kann.
Da wäre – nur als ein Beispiel – die 2012 gemeinsam gegründete Hubject GmbH. Sie ist ein Joint Venture, das mit seiner eRoaming-Plattform Ladestationsbetreiber und Fahrstromanbieter in Echtzeit verknüpft. So soll das Laden mit verschiedensten Stromverträgen auch an so gut wie allen Ladepunkten möglich gemacht werden. Das Unternehmen betreibt dabei keine eigenen Ladestationen. Aber über das eigene Ladenetzwerk Intercharge sorgt man jedoch für einen möglichst reibungslosen Datenaustausch im Hintergrund. Inzwischen nutzen weltweit mehr als 280 Unternehmen die Plattform. Mit dabei sind sowohl Hersteller von Elektrofahrzeugen und Energieversorger als auch Mobilitätsdienstleister und Telekommunikationsunternehmen. Die Gesellschafter von Hubject? Das sind BMW Group, Daimler, die Volkswagen Group und EnBW, innogy, Siemens und Bosch. Offenbar war das kartellrechtlich möglich.
Während die Gründung von Hubject eher lautlos verlief, war die Übernahme von Here Technologies für gut 2,8 Mrd. Euro durch die OEMs Audi, BMW und Daimler 2015 mit einem lauten Staunen der Branche und Medien vollzogen worden. Seit dieser Zeit wurden weitere Gesellschafter an Bord geholt. 2017 übernahm eine Gruppe asiatischer Investoren 10 % der Anteile an Here. Das waren die Schwergewichte Navinfo und Tencent aus China sowie GIC aus Singapur. Im gleichen Jahr übernahm auch der Technologiekonzern Intel einen Anteil von 15 % an Here. Seit Januar 2018 sind auch die deutschen Zulieferer Bosch und Continental mit jeweils 5 % dabei. Im Dezember 2019 wurde vermeldet, dass die Mitsubishi Corporation (MC) und die Nippon Telegraph and Telephone Corporation of Japan (NTT) gemeinsam 30 % der Anteile von Here Technologies übernehmen werden.
Here und Hubject haben sich seit Gründung bzw. Übernahme gut entwickelt. Beide Unternehmen sind im Datenbusiness unterwegs – also digitale Player. Warum sollte es also nicht auch möglich sein, das Thema Softwareentwicklung in solch ein Joint Venture zu überführen? Alle drei Konzerne unterhalten eigene Teams für diese Bereiche. Faktisch ist der Aufwand für die Softwareentwicklung in jedem der drei Konzerne gleich: Jedes Auto benötigt Software, nur verkaufen die OEMs jeweils sehr unterschiedliche Stückzahlen. Die BMW Group hat im Jahr 2019 2,52 Millionen Autos der Marken BMW, Mini und Rolls Royce verkauft. Beim Daimler waren es im gleichen Jahr 2,34 Millionen verkaufte Pkw. Die Volkswagen-Gruppe hat 2019 nach eigenen Angaben 10,97 Millionen Fahrzeuge verkaufen können. Bei welchem der drei Konzerne dürfte demnach der Preis für Software pro Fahrzeug deutlich geringer ausfallen? Richtig – bei Volkswagen.
Schwierigkeiten mit verschiedensten Softwareprojekten gab es über die Jahre in den Konzernen. Die Firmen befinden sich im dramatischen Wandel: Bei der Elektromobilität waren sie womöglich zu Beginn zu zögerlich; bei dem Thema Infotainment war man ebenfalls nicht unbedingt vorn dabei; allerdings ist man bei Forschung und Entwicklung des autonomen Fahrens früh und konsequent gewesen; ganzheitliche Mobilitätsanbeiter wollen sie jeweils auch werden. Auch wenn der Tesla da medial vorn ist, heißt es nicht, dass die deutschen Autobauer da nicht langfristig mitspielen können. Im August 2019 gab es dann auch die Nachricht, dass sich Audi – als Teil des Volkswagen-Konzerns – der Entwicklungsallianz für autonomes Fahren von BMW und Daimler anschließen wolle.
Die aktuelle Lage in der Corona-Krise könnte die Gespräche um eine weitere Kooperation für die Entwicklung eines gemeinsamen Betriebssystems für Fahrzeuge durchaus verstärken und auch politisch auf fruchtbaren Boden treffen. Der wirtschaftliche Druck durch die Krise dürfte enorm sein, der politische Druck für pragmatisches Handeln ebenfalls. Sinn macht das Szenario somit durchaus. Denn wenn sich ein gutes Teil der Industrie über ein Joint Venture einig ist, dann könnten somit Quasistandards geschaffen werden, die womöglich noch eine Zertifizierung brauchen, aber in erster Linie Zeit sparen. Zeit, die die Venture Capital finanzierten Startups sonst schnell für sich nutzen könnten.
Um diese These zu einer möglichen Kooperation und einem möglichen Joint Venture auf die Machbarkeit zu überprüfen, sprachen wir mit Philipp Reusch von der Reusch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Seine Einschätzungen gibt es hier als komplettes Audiointview in unserem intellicar.de-Podcast „Hack The Road Jack“.
Autor: Jens Stoewhase
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