25.03.2020 - 07:44

MirrorCam bei Mercedes-Benz Trucks – ein Q&A

Kameras statt Rückspiegel: Seit Juni 2019 liefert Mercedes-Benz Trucks den neuen Lkw Actros serienmäßig mit der MirrorCam aus (wir berichteten). Was bringt das System? Wie funktioniert das Ganze? Was ist zu beachten? Ein Dutzend Fragen und Antworten zur MirrorCam gibt’s hier.

Kameras am Dachrahmen und Displays an den A-Säulen: Der neue Actros ist schon auf den ersten Blick durch das Fehlen von Rück- und Weitwinkelspiegeln gut zu erkennen. Die Vorteile des neuen Systems sollen klar auf der Hand liegen, sagt der Hersteller. Und das wichtigste Argument dabei ist? Weniger Verbrauch durch verbesserte Aerodynamik sowie mehr Verkehrssicherheit durch bessere Sicht. Aber wie funktioniert die Bedienung, was gilt es zu beachten, und braucht der Fahrer eine Eingewöhnungszeit? Mercedes-Benz Trucks hat zahlreiche Antworten auf diverse Fragen.

Was ändert sich für den Fahrer oder die Fahrerin?

Dank der MirrorCam soll der Fahrer nun freie Sicht haben, wo vorher Rück- und Weitwinkelspiegel große Bereiche rechts und links der A-Säule verdeckten. Einen Vorteil soll das vor allem an Kreuzungen, beim Rangieren und in engen Kurven bieten. Und: Der Blick des Fahrers muss nicht mehr so weit nach rechts beziehungsweise links schwenken, um den rückwärtigen Verkehr einzusehen. Außerdem: Spiegel sind starr montiert, so kann bei Kurvenfahrten das Ende des Aufliegers aus dem Sichtfeld wandern. Bei der MirrorCam dagegen schwenkt das Bild der kurveninneren Kamera mit, der Fahrer kann jederzeit das Trailerende im Blick behalten. Grundsätzlich ist das System dabei auf Standardauflieger eingestellt, das Schwenken lässt sich aber auch individuell regeln. Das geschieht bei modernen Trailern automatisch, wenn diese ihre Geometriedaten an das Zugfahrzeug übermitteln. Manuell kann der Fahrer den Schwenkradius im Türbedienfeld über Seitenauswahltaste und Kreuzwippe verschieben.

Was hat der Unternehmer von der MirrorCam?

Die optimierte Aerodynamik kann den Verbrauch senken: Bis zu 1,5 Prozent weniger Kraftstoff lassen sich auf die optimierte Windschlüpfigkeit dank MirrorCam zurückführen, lässt Mercedes-Benz Trucks verlauten.

Können Schmutz und Regen das Bild beeinträchtigen?

Beschlagene oder verschmutzte Spiegelgläser und Seitenscheiben waren schon immer ein Problem. Durch die Position der Kameras hoch oben am Fahrzeug, das kleine Dach über der Kameralinse, eine spezielle Beschichtung und die digitale Übertragung des Bildes auf ein Display im Fahrerhaus können Beschlagen und Schmutz dem System kaum etwas anhaben. Besonders hilfreich bei kalten und feuchten Tagen: Die Kamera ist bei Temperaturen unterhalb von 15 Grad Celsius automatisch beheizt.

Was bringen die Distanzlinien auf dem Display?

Die Distanzlinien, die auf dem Display des MirrorCam-Systems angezeigt werden, helfen dem Fahrer oder der Fahrerin bei der Einschätzung der Abstände hinter dem Lkw. Eingeblendet werden drei fest positionierte Linien und eine Linie, die der Fahrer vor Fahrtbeginn genau auf Höhe des Fahrzeugendes justieren kann. In Kombi­nation mit den Hinweisen, die die Assistenzsysteme in den Displays zeigen, kann der Fahrer insbesondere drei typische Situationen jetzt besser einschätzen: Wann ist genug Abstand für ein Ausscheren nach links? Wie sieht es beim Rangieren mit dem Abstand nach hinten aus? Wann darf der Fahrer nach Überholvorgängen wieder ungefährdet nach rechts ziehen?

Ist ein Kamerasystem in der Dämmerung oder nachts im Nachteil?

In Restlichtsituationen, also bei Dämmerlicht, ist die MirrorCam sogar im Vorteil. Die Kameras sind sehr lichtstark ausgelegt. So können die Displays ein helleres Bild zeigen, als in Natur zu sehen ist. Der Fahrer erhält also bessere Umfeldinformationen als mit einem Spiegel. Zudem passt sich die Helligkeit stufenlos dem Umgebungslicht an – der Fahrer wird nicht geblendet. All das funktioniert auf offener Straße genauso wie im Tunnel. Ist es draußen vollkommen dunkel, kann auch die MirrorCam – wie herkömmliche Spiegel – nur die durch das Fahrzeug selbst erhellten Bereiche anzeigen. Hier haben die Entwickler für ein Maximum an Bildinformation eine Abstimmung gewählt, die aktuell noch ein leichtes Bildrauschen mit sich bringen kann.

Lässt sich die Helligkeit der Displays anpassen?

Unterschiedliche Wahrnehmung, Wetter und Tageszeit – es kann mitunter gute Gründe für eine Helligkeits­anpassung der Displays geben. Das geschieht unkompliziert über das rechte Touchdisplay beziehungsweise das Multifunktionslenkrad. Wer will, regelt rechtes und linkes Display unterschiedlich. Über die Menüs „Anzeige und Helligkeit –> Displayhelligkeit –> MirrorCam“ ist dafür ein virtueller Schieberegler erreichbar.

Warum sind die Monitorbilder nicht genauso scharf wie auf meinem Smartphone?

Entscheidender als die Pixeldichte waren die bisherigen Sehgewohnheiten der Lkw-Fahrer und Fahrerinnen: Mit einer großen 15,2 Zoll-Bildschirmdiagonale (38,6 Zentimeter) entspricht die MirrorCam in etwa der bisherigen Spiegelform. Wie gehabt können so Abstand und Tempo eines hinteren Fahrzeugs gut an Größe und Größenveränderung eingeschätzt werden. Allerdings: Viele moderne Smartphone-Displays zeigen ein Pixel-pro-Zoll-Verhältnis, das oftmals über dem Auflösungsvermögen des Benutzer-Auges liegt. Das Gerät liegt außerdem in der Hand, der Abstand zum Auge ist damit recht gering. Die Displays der MirrorCam sind deutlich weiter entfernt, und je weiter der Abstand, desto weniger Details kann das Auge unterscheiden. Eine Smartphone-ähnliche Pixelzahl ist bei der MirrorCam also gar nicht notwendig.

Ein weiterer Punkt: Die MirrorCam ist ein zentrales Sicherheitssystem und deshalb auf Zuverlässigkeit ausgelegt. Sie hat erfolgreich alle vorgeschriebenen Zulassungsverfahren absolviert. Ein Smartphone würde hier – Stand heute – scheitern.

Falsch eingestellte Spiegel sorgen für Gefahrenpotenzial. Wie ist das bei der MirrorCam?

Für herkömmliche Spiegel gilt die einfache Physik „Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel“. Das bedeutet: immer, wenn der Fahrer seine Sitzposition ändert, ändert sich auch der Bereich, den er einsehen kann. Das ist bei der MirrorCam grundsätzlich anders. Durch die Kamera-Bildschirm-Kombination sieht der Fahrer immer das gleiche Bild – an jeder Sitzposition. Das Sichtfeld lässt sich aber auch individuell über das Türbedienfeld einstellen. Vorteil MirrorCam: Verschiebt der Fahrer das Sichtfeld so weit, dass die gesetzlichen Bestim­mungen nicht mehr erfüllt sind, erhält er – anders als bei Spiegeln – einen Hinweis im Display. Mit langem Druck auf die Funktionstaste ist dann schnell der Standard wiederhergestellt.

Wie kommen Brillenträger mit den Displays zurecht, und darf man eine Sonnenbrille tragen?

Die Displays der MirrorCam sind auch für Brillenträger gut ablesbar. Gerade auch, weil der Blick durch die Positionierung an den A-Säulen nicht mehr so weit nach links und rechts schweifen muss, um den rückwär­tigen Verkehr in Augenschein zu nehmen. Es kann allerdings sein, dass Brillenträgern die Gewöhnung an die neuen Blickwinkel und Abstände schwerfällt. Dann sollte die erste Frage sein: Passt die Brille noch zu den Augen? Änderungen beim Sehvermögen gehen schleichend vor sich, werden oft zunächst nicht bemerkt und deshalb hingenommen. Dann sind die Probleme von Brillenträgern mit der MirrorCam in der Regel nicht auf das System, sondern auf eine im Grunde unpassende Brille zurückzuführen. Ob am Schreibtisch oder am Steuer – es gilt: Die Brille muss zum Arbeitsplatz passen! Auch eine Sonnenbrille ist in der Regel kein Problem. Allerdings hängt es stark von der Güte der Sonnenbrille ab, wie sehr sich der optische Eindruck verändert. Eine Sonnenbrille bringt stets Vor- und Nachteile – bei der Nutzung von Spiegeln genauso wie bei der Nutzung der MirrorCam.

Warum tun sich manche Fahrer im ersten Moment schwer, mit der MirrorCam rückwärts geradeaus zu fahren?

Für das Rangieren rückwärts bietet die MirrorCam zwei Ansichten: Standardmäßig zeigt das große Haupt­display dann den Nahbereich des Lkw, der untere Teil das weitere Umfeld. Diese Ansicht bewährt sich vor allem, wenn der Fahrer rückwärts in einer Kurvenbewegung steuert. Setzt er das Fahrzeug allerdings nur gerade zurück, ist es oftmals besser, diese Funktion zu deaktivieren. Das geschieht unkompliziert über eine Taste im Türbedienfeld. Das Rangieren mit MirrorCam bietet also erweiterte Möglichkeiten im Vergleich zu den Spiegeln. Es erfordert aber auch genau aus diesem Grund etwas Eingewöhnung. Zudem sitzen die Kameras etwas weiter außen als die Spiegel, wodurch gerade beim Zurücksetzen in gerader Linie mehr vom Fahrzeug zu sehen ist als mit Spiegeln. Auch das braucht etwas Umgewöhnung und zunächst den abwechselnden Blick auf beide Displays. Denn im Vergleich zum herkömmlichen Spiegelsystem haben manche Fahrer beim Rückwärtsfahren nach dem Blick auf nur eines der MirrorCam-Displays zunächst den subjektiven Eindruck, schräg zu fahren, obwohl sie kerzengerade unterwegs sind.

Wie arbeiten MirrorCam und Abbiege-Assistent zusammen?

Der Abbiege-Assistent unterstützt den Fahrer, indem er auf stehende oder sich bewegende Objekte und Personen im Überwachungsbereich rechts vom Lkw aufmerksam macht, wenn eine Kollisionsgefahr droht. Die optische Anzeige dieser Warnungen geschieht über das Display der MirrorCam. Der Fahrer erhält also alle Informationen gebündelt an einem Ort.

Arbeitet die MirrorCam auch bei ausgeschaltetem Motor?

Verbringt der Fahrer seine Ruhepausen im Fahrerhaus, hat er auch bei abgestelltem Motor und zugezogenen Vorhängen die Möglichkeit, das Kamerasystem über Schalter am Bett und auf der Beifahrerseite für zwei Minuten zu aktivieren, so das Fahrzeugumfeld zu sichten und auf verdächtige Aktivitäten am Lkw oder der Ladung aufmerksam zu werden. Ganz automatisch startet das System beim Öffnen der Tür – für ein jederzeit sicheres Verlassen des Fahrzeugs.

Editor: Jens Stoewhase mit Pressematerial der Daimler AG

Autor: jst

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